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Fragile Argumente der Justiz

Analyse: Pauschal-Brandmarkung der AfD-Jugend als 'rechtsextrem' ist substanzlos

Politik
Justiz: Freepik; JA-Fahne: Homepage Junge Alternative; Komposition: Der Status.

In seinem Beschluss zur Einstufung als "gesichert rechtsextrem" hat das Verwaltungsgericht mit Blick auf die "Junge Alternative" keine konkludente Nachweiskette vorlegen können, die eine pauschale und generelle Verfassungsfeindlichkeit der AfD-Jugend rechtfertigt. Zu dieser Auffassung kommt der Politikberater und Journalist Dennis Riehle in einer ersten Einschätzung nach Bekanntwerden der Entscheidung, welche weiterer Rechtsmittel in den nächsten Instanzen zugänglich ist.

Ein Gastbeitrag von Dennis Riehle

Inflationäre 'Nazikeule' als wertlose Floskel

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts zur Einschätzung der „Jungen Alternative“ ist in mehrerlei Hinsicht substanzlos und inkonsequent. Er kann deshalb bei näherer Auseinandersetzung schon allein deshalb nicht überzeugen, weil er sich nicht in hinreichender Weise mit der Definition des Rechtsextremismus befasst hat, die besonders in diesen Tagen keinen gesellschaftlichen Konsens mehr findet - und darüber hinaus durch eine rhetorische Eskalation einer aufgebrachten Weltretter-Bewegung in ihrer Bedeutungs- und Überzeugungskraft zu einer wertlosen Floskel ohne wirkliche Konsequenz entkräftet wurde.

Denn ihr fehlt es mittlerweile an Stichhaltigkeit und der notwendigen Abgrenzung zum Konservativen, zum Bürgerlichen, zum Radikalen, zum Populistischen und zum Mittigen - sodass der Übergang fließend scheint. Damit entfällt auch der abschreckende Wirkungsanspruch gegenüber der Bevölkerung: Die Bürger können heutzutage kaum noch ernst nehmen, wenn einer Institution oder Person die Etikettierung des Extremistischen angeheftet wird - weil die Bezeichnung zu einem Sammelbecken von vollkommen unbedeutsamen und unverfänglichen Zuschreibungen geworden ist, die per se nicht verwerflich sind - oder gar irgendeine Erwartung zur Distanz erwecken können.

Schwammige Begriffe, schlechte Beweisführung

Die im Gegenzug staatlich und behördlich vorgegebene Begriffsbeschreibung diesbezüglich genügt wiederum nicht den höchstrichterlichen Anforderungen, weil sie sich in erster Linie mit der Gesinnung, aber nicht mit der Verfassungstreue auseinandersetzt. Gerade erstgenannte steht in Deutschland aber nicht zur Disposition. Sie ist - wie die Meinung des Einzelnen - solange unantastbar, wie sie sich auf das Denken und Aussprechen von Überzeugungen und den friedlichen Einsatz für selbige bezieht.

Dass es bei der JA allerdings darüber hinausgehende Bestrebungen zu einem umbrüchigen Verhalten und der Erlangung von Machtansprüchen für eine Durchsetzung von in Teilen radikal anmutenden Idealen gibt, dafür konnten die Richter in ihrer Begründung keine konsistenten Nachweise erbringen. Ebenso fehlt es in ihren Ausführungen an einer hinreichenden Beweiskette über die strukturelle Verbreitung an einer das Grundgesetz ablehnenden Haltung.

Das Vorweisen von einzelnen öffentlichen Zitaten der Jungen Alternative reicht in keinem Fall dafür aus, in einer entsprechenden Schlussfolgerung zur generalisierenden Erkenntnis zu gelangen, dass individuelle Auffassungen von Personen stellvertretenden Charakter besitzen - und somit für die Gesamtheit der JA sprechen. Doch genau diese Anforderung müsste für eine bundesweite Einstufung erbracht werden: Es mangelt an einem glaubwürdigen Bild über die breitflächige und gefestigte Verfassungsferne einer Mehrheit der Mitglieder, Sympathisanten oder Funktionäre.

Programmatik geht nicht gegen Grundgesetz

Programmatik und Inhalte wurden vom Gericht weitgehend unbeachtet gelassen. Stattdessen hat man sich vor allem auf herausgegriffene Äußerungen von nicht zwingend repräsentativen JA-Anhängern gestützt, die darüber hinaus nicht für sich einfordern können, dass ihre politischen Ambitionen mit einem willentlichen Überwindungsbestreben der derzeitigen Staatsform verbunden sind. Der Vorwurf, wonach es der Jungen Alternative um die Wahrung des deutschen Volkes gehe, muss einerseits ins Leere zielen, weil das Grundgesetz gerade diesen Auftrag an mehreren Stellen vorsieht (vgl. 56, 146 u.a.).

Darüber hinaus entbehrt die Behauptung der Richter jeglicher Grundlage, wonach es der JA in ihrer Vollständigkeit um eine Verknüpfung dieses Bildes der Einheit der Bürger mit einer ethnischen oder gar rassischen Abstammung derselben gehe - und damit diejenigen prinzipiell ausgegrenzt seien, die diese Herkunft nicht vorweisen können. Es widerspricht nicht Artikel 1 GG, der Würde des Menschen, dass die Bundesrepublik einem Vorrangigkeitsgebot anhängt, welches zunächst die Bevölkerungsteile sozial, existenziell und rechtlich absichert, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Nichts Anderes geht übrigens aus Artikel 116 GG hervor.

"Einwanderungsland" als Strohmann

In der Verfassung findet sich dagegen keinerlei eindeutige Aussage, wonach wir ein Einwanderungsland sind, das dem Ziel eines Multikulturalismus nacheifern muss. Stattdessen sind wir lediglich angehalten, die nach Artikel 16a Grundgesetz von Verfolgung bedrohten Menschen unter Einhaltung der klar formulierten Voraussetzungen für eine Bleibeperspektive bei uns aufzunehmen, gleichsam Aussiedler - und nach einfachgesetzlichen Bestimmungen festgelegte Personengruppen wie Arbeitsmigranten.

Dem Gericht ist es nicht gelungen, überzeugende Argumente vorzulegen, wonach die JA über diese Maßgabe hinausgehende Forderungen stellt, wonach es der Mehrheit ihrer Anhänger um ein völkisch-nationalistisches Gedankengut der völligen Isolierung und Segregation geht - die darüber hinaus noch in der Lage wäre, Personen anderer Nationalität, Hautfarbe oder religiösen Bekenntnisses prinzipiell zu entwürdigen.

Auch mit Blick auf die Unterstellung, die Junge Alternative belege Ausländer generell mit herabwürdigenden Prädikaten, stufe sie durchwegs als "Schmarotzer" oder "kriminell" ein, bleibt das Gericht weitgehend im Unkonkreten - und lässt keine durchgängigen, belastbaren Hinweise erkennen, welche eine Konklusion vom Einzelnen auf das Allgemeine zulassen würde.

Kritik an Zuständen zulässig & geboten

Und auch im letzten Punkt sind die Verwaltungsrichter in eine Falle getappt: Wenn sie nämlich die Überlegung aufstellen, dass eine Institution, Organisation oder Vereinigung deshalb das demokratische System ablehne, weil sie die derzeitige Bundesrepublik in einer subjektiven Auffassung nicht als eine solche Volksherrschaft wiederkennt, spricht das sogar eher für ihre Leidenschaft zur Verfassung. Es gehört nicht nur zu einem wesentlichen Bestandteil unserer Grundordnung, in der Meinungsfreiheit zu der völlig legitimen Überzeugung zu gelangen, dass sich der derzeitige Zustand des Landes vom dem einer Demokratie entfernt hat.

Denn die persönliche Feststellung, wonach man im nüchternen Befund über den augenblicklichen Status unserer politischen Wirklichkeit und der gesellschaftlichen Stimmung zu der Einsicht gelangen kann, dass sich Deutschland wieder in Richtung einer autoritären Herrschaftsform entwickelt, ist nicht nur durch Art. 5 GG umfänglich gedeckt. Auch ist die eigene Empfindung über den Status Quo nicht gleichzusetzen mit einem Indikativ, wonach es sich bei unserer Verfassung grundsätzlich um ein nicht-demokratisches Regelwerk handele.

Rückbesinnung kein Indiz für "Rechtsextremismus"

Viel eher kann aus der Positionierung der Jungen Alternative auch die Intention abgeleitet werden, dass man sich für eine Rückkehr zu genau dieser Direktive einsetzt, welche die Gründungsväter in ihrem ursprünglichen Geist festgelegt haben. Denn dass zwischen selbigem Spirit und der momentanen Auslegung, Interpretation und Ratifizierung desgleichen durch Exekutive und Legislative keine Kongruenz mehr besteht.

Diese Betrachtungsweise nehmen laut einer aktuellen Befragung übrigens immer mehr junge Menschen in Europa ein, die mit Sorge auf den Zustand der jetzigen Verhältnisse blicken - aber eben nicht fundamental das Konzept des mitbestimmenden Volksstaates ablehnen. Und sollen all diese Jugendlichen und Heranwachsenden, die man in der Bertelsmann-Studie befragt hat, plötzlich rechtsextrem sein?


Zur Person:

Dennis Riehle ist Journalist, Autor und Berater. Seine Schwerpunkte sind: Selbsthilfe, Soziales, Psychologie, Gesundheit, Philosophie, Theologie, Politik, Menschenrechte, Nachhaltigkeit.

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